Rinderhaltung am Staatsgut Almesbach

Mit der Kuh auf Du und Du

Mit der Kuh auf "Du und Du"

Unsere Milchviehherde besteht derzeit aus zirka 140 Tieren. Neben der Funktion als "Lehrherde" für berufliche Ausbildung werden auch verschiedene Versuchsfragen und Erprobungen angestellt.

Im Einzelnen sind dies Fragestellungen zu verschiedenen Aufstallungsformen hinsichtlich Kuhkomfort und Tierwohl, Melktechnik mit Einsatz digitaler Tiergesundheitsüberwachung, Zucht auf genetische Hornlosigkeit sowie Versuchsfragen zur Futtereffizienz. Unsere Kuhherde ist in die Versuchsfragen zum Programm der LfL „Digi-Milch“ integriert. Das Projekt DigiMilch prüft die Eignung der einsetzbaren digitalen Technik in der Milchkuhhaltung und erfasst die Einsatzerfahrungen der Landwirte.

Fütterungskonzept

Gentechnikfrei mit heimischen Eiweißfuttermitteln

Die Fütterung der Tiere in Almesbach erfolgt mit einer Mischung aus Grassilage, Maissilage, Stroh, Getreide, Mineralfutter, einer Eiweißmischung (Raps/Sojaextraktionsschrot) und Wasser. Heu wird extra verabreicht. Besonderen Wert legen wir auf eine wiederkäuergerechte Ration und eine gesunde, leberentlastende Fütterung mit einer ausgeglichenen ruminalen Stickstoff-Bilanz.
Die vorgelegte Futterration reicht für einen Leistungsbedarf von 25 kg Milch. Tiere mit höherer Leistung erhalten zusätzlich bis zu 7 kg Kraftfutter bestehend aus Mais, Getreide, Trockenschnitzel, Raps- und Sojaextraktionsschrot. Alle eingesetzten Futtermittel sind gentechnikfrei und werden im Rahmen des Bechtel-Qualitätsprogramms auf Gentechnikfreiheit überprüft.
Zielwerte im Fütterungskonzept sind eine Grundfutterleistung von über 4000 kg Milch, einen Kraftfutterverbrauch von unter 300 g Kraftfutter(FM)/kg Milch und Kraftfutterkosten von unter 9 ct/kg Milch. Die tägliche Grundfutteraufnahme liegt bei durchschnittlich 14,5 kg TM/Kuh bei einem Durchschnittsgewicht der Tiere von 740 kg.

Eingesetzte Melktechnik

Melkstand

Das Melken der Tiere erfolgt mit einem Melkstand der Firma DeLaval. Der Melkstand ist als Doppel-8-Fischgrät-Melkstand ausgeführt. Eine Seite ist als Schnellaustrieb konzipiert. An den Melkplätzen kann über Elektronik der Melkvorgang des Einzeltiers verfolgt und überwacht werden.
Die erfassten Milchmengen werden im Managementprogramm DelPro dargestellt und ins Herdenmanagementprogramm HerdePlus synchronisiert.
Das Melken ist ein wesentlicher Lerninhalt bei jedem Tierhaltungskurs. Neben dem Melkstand sind daher noch 10 Anbindeplätze vorhanden, auf denen Übungen zur Tierpflege, Tierbeurteilung und zum Melken im Anbindestall durchgeführt werden können.

AMS (Automatisches Melksystem)

Die Automatisierung nimmt auch in der Landwirtschaft zu. Auf mehr und mehr landwirtschaftlichen Betrieben werden Kühe mit einem Melkroboter gemolken. Auch ein Teil der Kuhherde am Staatsgut Almesbach wird automatisch gemolken, damit die Kursteilnehmer bei beiden Melksystemen geschult werden können.
Zur Gesundheitsüberwachung der Tiere sind zahlreiche Sensoren verbaut. So prüft der Melkroboter folgende Parameter: die Milchmenge, Temperatur, Leitfähigkeit, Zellzahl, Fett, Eiweiß und Farbe der Milch. Zusätzliche Informationen liefert noch das Nedap Brunsterkennungssystem. Alle erfassten Daten werden im Managementprogramm des Roboters dargestellt und ins Herdenmanagementprogramm HerdePlus synchronisiert.
Weiterhin schulen wir Betriebshelfer der Maschinenringe im Umgang mit Automatischen Melksystemen. Auch Firmen nutzen bereits das Almesbacher AMS zur Schulung ihrer Roboterkunden.

Vernetzte Stalltechnik

Im Rinderstall sind unter anderem für die Ausbildung eine Vielzahl an Sensoren eingebaut, welche den Gesundheitsstatus der Tiere erfassen. Zudem sind wiederkehrende Dokumentationen zu Reproduktion und Gesundheit der Tiere zu notieren. Alle Eingaben zum Einzeltier erfolgen ins Herdenmanagementprogramm HerdePlus. Durch die geschaffenen Technikkopplungen werden die Angaben zur Kuh zu den einzelnen Sensorsystemen synchronisiert.
So liefern der Melkroboter und der Melkstand die Milchmenge von jeder einzelnen Kuh ins Programm HerdePlus. Darüber hinaus übermittelt der Melkroboter zusätzlich Fett-, Eiweißgehalt und Zellzahl der Milch. Im Melkstand ist auf einer Austriebseite eine BCS-Kamera installiert, welche Daten zur Körperkondition der Kühe sammelt. Aktivitäts-, Fress-, Wiederkauverhalten und inaktive Zeit der Kühe sammelt das Brunsterkennungssystem Velos von Nedap und übersendet die Daten ebenfalls an HerdePlus. Besamungen, Klauenpflegedaten und Behandlungen der Tiere werden im Herdenmanagementprogramm erfasst und zu den Programmen der Sensorsysteme synchronisiert. Zudem werden zugleich Meldungen an den LKV generiert. Ebenso werden neu geborene Kälber im Programm erfasst und dokumentiert und eine Geburtsmeldung bei der Hit-Datenbank generiert.
Die gesammelten Daten dienen der Qualitätssicherung und Überwachung der Tiergesundheit. Zudem unterstützen die einzelnen Systeme durch Hinweismeldungen bei der täglichen Gesundheitskontrolle der Tiere.
Für ein angenehmes und an den Bedarf der Kühe angepasstes Klima im Stall sorgen 12 Ventilatoren. Die Steuerung dieser Ventilatoren erfolgt nach THI (Temperatur-Luftfeuchtigkeits-Index). Darüber hinaus sind die Curtains an den Längsseiten des Milchviehstalls steuerbar. Die Öffnungsweite der Curtains ist jederzeit an die Wind- und Witterungsverhältnisse anpassbar.

Haltungskonzept

Die Milchkühe am Staatsgut Almesbach werden in einem Außenklimastall gehalten. Der Stall wurde 2006 erbaut und wird seither laufend modernisiert und den Haltungsansprüchen der Kühe optimal angepasst. Technische Innovationen und bauliche Anpassungen werden gemäß den neusten Erkenntnissen umgesetzt und im Praxiseinsatz getestet. Dabei steht zu jeder Zeit das Wohl der Tiere im Vordergrund.

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Der Liegeboxenlaufstall besteht aus verschiedenen Funktionsbereichen, zwischen denen die Kühe frei wählen und sich darin aufhalten können.

Liegen
Als Ruhebereich steht jeder Kuh eine weiche, trockene Liegebox zur Verfügung.
Dieser Bereich spielt für das Wohlbefinden der Kühe eine entscheidende Rolle, da sie hier einen Großteil ihres Tages im Liegen verbringen. Im Liegen können z.B. die Klauen optimal entlastet werden. Außerdem findet das Wiederkauen im Liegen statt.
Beim Liegen können die Kühe grundsätzlich zwischen zwei Boxensystemen wählen, Hochboxen mit Komfortmatten verschiedener Fabrikate und Tiefboxen mit einer Stroh-Mist-Matratze.
Auch können hierbei verschiedene Hersteller von Liegeboxenabtrennungen gezeigt und im Praxiseinsatz verglichen werden.
Fressen
Täglich werden die Kühe am Futtertisch mit frischem Futter versorgt.
Dabei erhalten die Tiere eine Ration aus Gras, Mais, Heu, Stroh, verschieden Kraftfuttermitteln und Mineralfutter.

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Ration wird ständig angepasst, d.h. erst mit speziellen Futterberechnungsprogrammen errechnet und dann den Tieren milchleistungsbezogen angeboten.
Anhand von verschiedenen Daten, wie z.B. Milchinhaltsstoffe, Wiederkauaktivität, Futteraufnahme, Kotkonsistenz und natürlich dem Auge des Tierhalters wird eine Futterration zusammengestellt, welche optimal auf die Ansprüche der Milchkuh angepasst ist.
Dabei steht auch stets die Gesundheit der Tiere im Vordergrund.

Laufen
Kühe laufen gerne auf weichen Böden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind die Laufgänge mit Gummimatten ausgestattet. Die Kühe können sich hier sicher vom Liegen zum Fressen oder zum Melkstand oder Melkroboter bewegen.
Gleichzeitig werfen dabei die Klauen geschont. Die Sicherheit bei den Kühen kann man u.a. an ihrer Schrittlänge, an ihrer Aktivität z.B. in der Brunst und auch am sog. Locomotion Score ablesen. Die Entmistung der Laufflächen wird von Mistschiebern übernommen. Hierbei sind auch Schiebersysteme verschiedener Hersteller im Praxiseinsatz.
Melken
In Almesbach können verschiedene Melksysteme kennengelernt und verglichen werden. So werden rund 2/3 der Herde in einem doppel-achter -Fischgrätmelkstand von De Laval zweimal täglich, zu festen Melkzeiten gemolken.
Die übrigen Kühe gestalten ihren Tagesablauf frei und können bis zu viermal täglich im Melkroboter der Fa. Lely gemolken werden.
Kuhkomfort/Lüftung
Rinder kommen mit niedrigen oder sogar Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt problemlos zurecht. Eher problematisch wird es an sehr heißen Sommertagen. Hier kann es schnell zu Hitzestress kommen, was u.a. mit geringerer Futteraufnahme einhergeht. Um das Wohlbefinden der Kühe zu steigern ist im Milchviehstall eine automatische, der aktuellen Klimasituation angepasste Lüftung installiert.

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Hinter dem Lüftungskonzept aus Curtains (Windschutzsysteme für Ställe) und Lüftern direkt über den Liegeboxen montiert steckt der sog. THI.
Der Temperatur- Luftfeuchtigkeits- Index (THI) berechnet sich aus der aktuellen Außentemperatur und Luftfeuchtigkeit.

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Reproduktionsstall
Die Kühe, die kurz vor dem Kalbetermin stehen, werden nicht mehr gemolken. Diese 6 bis 8 -wöchige Erholungsphase nennt man Trockenstehzeit. Diese nutzen die Kühe um sich optimal auf die bevorstehende Laktation vorzubereiten.
Die Trockenstehphase verbringen die Kühe in einem separaten Stall, in dem auch eine Futterration angeboten, die genau auf diese Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Rund drei Wochen vor der Kalbung werden die Kühe in den Abkalbebereich gebracht. Die Kühe haben hier die Möglichkeit sich im weitläufigen Strohbereich auf die Kalbung vorzubereiten,
Auch in dieser Phase wird die Fütterung neu angepasst. Um den Geburtsverlauf optimal einschätzen und bei Bedarf einschreiten zu könne, werde diese Tiere mehrmals täglich kontrolliert.
Zur besseren Beobachtung in der Nacht steht dem Stallpersonal eine Kamera zur Verfügung, mit der sie sich jederzeit einen Überblick verschaffen können.

Stallplan

Kälberhaltung

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Gesunde Kälber von heute sind die gesunden Kühe von morgen!
Nach diesem Grundsatz werden am Staatsgut Almesbach die Kälber aufgezogen.
Die Trächtigkeitsdauer einer Kuh dauert rund 285 Tage.
Die Kälber kommen in einer sauberen, trockenen, mit Stroh eingestreuten Abkalbebox zur Welt.

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Die Kalbung wird dabei intensiv vom Stallpersonal überwacht, um bei Bedarf sofort als Geburtshelfer einschreiten zu können. Nach der Geburt werden Kuh und Kalb sofort versorgt. Bei den neugeborenen Kälbern spielt dabei die Versorgung mit Milch, der Biestmilch, eine entscheidende Rolle. Anders als der Mensch kommt das Kalb ohne jeden Immunschutz auf die Welt, deshalb ist es wichtig, dass das Kalb direkt nach der Kalbung Muttermilch aufnimmt. Denn diese enthält die lebenswichtigen Immunglobuline.
Bereits hier wird die Qualität des Kolostrums mit Hilfe eines Refraktometers bestimmt.

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Die Kälber verbringen die ersten 14 Tage in einem Kälberiglu. Hierzu wurde 2020 ein Kälberstall für Einzelhaltung errichtet. Hier können die Klimabedingungen optimal auf die Bedürfnisse der Kälber eingestellt werden. Außerdem können die Kälber in den ersten Lebenstagen optimal überwacht und individuell versorgt werden.
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Zur Tränke der Kälber werden am Staatsgut Almesbach verschiedene Tränkevarianten und auch Tränketechniken im Praxiseinsatz erprobt.
Klassische Eimertränke, Tränken mit dem Milchtaxi oder eine vollautomatische Einzelplatzfütterung- das Angebot ist dabei breit gefächert.
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Gefüttert wird nach dem Grundsatz der metabolischen Programmierung, d.h. die Kälber werden sehr intensiv mit Milch versorgt.
Bereits die Kolostrumgabe kurz nach der Geburt stellt die Weichen für das ganze Leben des Tiers. Es wird in seinem Stoffwechsel programmiert. Die Anpassung daran bleibt lebenslang bestehen.
Die Programmierung des Stoffwechsels kurz nach der Geburt hat eine lebenslange Auswirkung auf die Gesundheit und das Wachstum. Neben der Leistungsbereitschaft beeinflusst es auch die Abwehrkräfte.
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In der Praxis bedeutet dies, dass die Kälber bis zu 20 Liter Milch je Tag aufnehmen können.
Diese Ad Libitum Tränke kommt dem natürlichen Verhalten der Tiere entgegen, da sie praktisch zu jeder Zeit, ähnlich wie bei ihrer Mutter, frische Milch aufnehmen können.
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Mithilfe moderner Technik können zu jeder Zeit tierbezogene Daten, wie z.B. aufgenommene Tränkemenge, abgerufen werden. Somit können Probleme schnellstmöglich erkannt und sofort gegengesteuert werden.
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Nach der zweiten Lebenswoche werden die Kälber in Gruppen mit maximal 15 Kälbern augestallt.
Hier werden die Tiere schrittweise von der Milch entwöhnt und an festes Futter gewöhnt.
Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Entwicklung des Pansens. Deshalb wird bereits hier schon speziell für Kälber angepasstes Futter, wie z.B. Kälber TMR angeboten. Diese enthält die wichtigen Inhaltsstoffe, die die Pansenentwicklung gezielt fördern. Mit rund vier Monaten werden die weiblichen Kälber auf den Jungviehaufzuchtbetrieb nach Pfrentschweiher gebracht, wo sie weiter betreut, aufgezogen und belegt werden, bis sie dann wieder als Jungkuh nach Almesbach zurückkommen.

Mutterkuhhaltung und Jungviehaufzucht in Pfrentschweiher

Mutterkuh mit saugendem Kalb
Seit jeher diente das Staatsgut Pfrentschweiher, das etwas außerhalb des Ortes Pfrentsch unmittelbar an der Pfreimd gelegen ist, der Aufzucht des betriebseigenen Jungviehs des Staatsgutes Almesbach. Durch die Nutzung eines zweckmäßig eingerichteten Altstalles ist ein Teil der Mutterkuhherde über die Stallhalteperiode praktikabel und funktional passend untergebracht.

Im Jahr 2014 wurde für die zweite Teilherde parallel zur Längsseite des bestehenden alten Jungviehstalls eine Liegehalle mit Abkalbeabteile gebaut und mit dem Altstall verbunden, so dass nach Abschluss der Baumaßnahmen insgesamt 35 Mutterkühe mit weiblicher Nachzucht in den beiden Ställen sehr tiergerecht gehalten werden können. Das Deckbullenhandling konnte bereits davor durch die zweckmäßige Errichtung von drei Bullenbuchten mit überdachtem Auslauf entscheidend optimiert werden.
Die seit 2012 verfolgte Umgestaltung der Herde zu einer natürlich hornlosen FV-Fleisch Zuchtherde in Reinzucht ist erfolgreich abgeschlossen. Besonderes Augenmerk wird neben der Fleischleistung auf Umgänglichkeit, funktionale Euter und stabile Fundamente gelegt. Die FV-Herde wird im Herdbuch des Fleischrinderverbandes Bayern e.V. geführt und vom Institut für Tierzucht züchterisch betreut. In 2016 ging der in Pfrentschweiher gezüchtete Jungbulle Hennessy PP* in den Besamungseinsatz.

Kopfbild Pfrentsch Mutterkuhhaltung