Gute oder schlechte Verhaltensweisen, die Kälber am Beginn der Aufzucht in ihren Kindertagen erlernt haben, setzten sich meist im späteren Leben im Erwachsenenalter fort. Deshalb muss man Kälber, wie kleine Kinder in positiven Verhaltensweisen unterweisen und schulen. Diese Idee betrifft auch in entscheidender Weise das Fressverhalten.
Ein im Kälberalter antrainiertes Fressverhalten hat mittel- und langfristige Auswirkungen darauf, wie die erwachsene Kuh ihr Futter aufnehmen und die Nährstoffe verwerten kann.
Die Verhaltensforschung an Rindern an der University of British Columbia hat eindrucksvoll bewiesen, dass Verhaltensweisen, die junge Kälber einmal erlernt haben, bis ins Erwachsenenalter beibehalten werden können. Die Verhaltensweisen sind damit lebenslang programmiert. Die Art und Weise der Versorgung der Kälber mit Festfutter in Ergänzung zur Tränke in Form von Kälberstarter, Kälbermüsli oder Kälber-TMR hat einen Einfluss auf das Fressverhalten der laktierenden Kühe.
Um immer frisches Beifutter anzubieten und der Futterverschwendung durch einen zu hohen Futterrest vorzubeugen, füttern viele Rinderhalter den Kälberstarter in kleinen Mengen. Insbesondere dann, wenn die Kälber erst einmal Kontakt zum Beifutter aufnehmen und dieses genauer kennenlernen sollen. Diese Idee scheint bei der ersten Betrachtung sinnvoll zu sein. Beim genaueren Hinschauen aber wird diese Vorgehensweise zu einer gefährlichen Gratwanderung zwischen einem augenscheinlich ausgefeilten Fütterungsmanagement und von Fressgewohnheiten, die sich im späteren Rinderleben nachteilig auswirken können.
Der bereits verstorbene New Yorker Kälber- und Jungrinderspezialist Sam Leadley erklärt, dass ein leerer Eimer ein klares Signal an die Kälber aussendet: "Friss schnell auf! Vielleicht gibt es nichts mehr!"
Wenn Kälbern am Beginn der Aufzucht ein derartiges Fressverhalten antrainiert wird, prägt ein Slug-feeding (Schneckenfressen) auch die Futteraufnahme der laktierenden Kühe. Trevor DeVries, Professor und Experte für Rinderverhalten an der University of Guelph, sagt, dass Kühe, die weniger, aber dafür größere Mahlzeiten zu sich nehmen (Schneckenfütterung), mehrere Risiken bergen. Rinder sind von Natur aus an die Aufnahme vieler kleiner Mahlzeiten am Tag gewöhnt. Ziel muss es immer sein, die Kühe dazu zu animieren, den ganzen Tag über häufigere, kleinere Mahlzeiten zu fressen. Dies führt zu einem besseren pH-Gleichgewicht im Pansen im Vergleich zu einer Situation, in der Kühe mit weniger, aber größeren Mahlzeiten ihren Hunger stillen.
Risiken:
Zusätzlich zu den Verhaltensweisen, die durch das Beifuttermangement erlernt werden, sagt DeVries, dass die rationierte Fütterung von TMR an entwöhnte Kälber möglicherweise auch zum Schneckenfressverhalten führt.
Leadleys unmissverständlicher Rat zur Vermeidung des Schneckenfressverhaltens in der frühen Aufzucht lautet deshalb: Lassen Sie die Futtereimer und -schalen nie leer werden. Seine Routine bestand darin, die Futtereimer zweimal pro Woche auszuleeren und wieder aufzufüllen, um Verderb zu vermeiden, aber das Beifutter - zusammen mit Wasser zur freien Aufnahme - vor den Kälbern nie ausgehen zu lassen.